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Vergabeverfahren: Auffälligkeiten, Gefahren, Maßnahmen

Das Vergaberecht ist ein enges und strenges Korsett. Die genaue Einhaltung der gesetzlichen Vergabevorschriften, das Erschweren von Verfahrensabweichungen, die Durchführung von weitreichenden und personell variierende Prüfungen und eine sorgfältige Dokumentation der Arbeitsschritte engen den Spielraum für Manipulationen erheblich ein.

Nachfolgend einige Hinweise und Empfehlungen zur Korruptionsvermeidung in Vergabeverfahren der öffentlichen Verwaltung. Die aufgeführten Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, viele Varianten sind vorstellbar.

Ausführlicher Bericht des Bundesrechnungshofes vom 12.11.1998:
Hinweise und Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung im Straßenbau (pdf, 51.5 KB)

1. Kontakte zu Bietern

Auffälligkeit:

Intensive, über das normale Maß der Zusammenarbeit hinausgehende Kontakte der Beschäftigten zu Bietern.

Gefahr:

Es können illegal Informationen weitergegeben, Absprachen getroffen, Dokumente manipuliert und Leistungen zu Unrecht bescheinigt werden.

Maßnahmen:

Einführung und konsequentes Umsetzen des "Vier-Augen-Prinzips". Verteilen von Zuständigkeiten, regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

2. Kompetenz-Konzentration

Auffälligkeit:

Konzentration umfassender Kompetenzen auf eine oder mehrere Personen.

Gefahr:

Planung, Vergabe, Bauüberwachung und Abrechnung der Maßnahmen durch nur einen Beschäftigten oder ein sehr kleines Team vergrößern die Gefahr von Unregelmäßigkeiten.

Maßnahmen:

Umorganisation, Aufteilen von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

3. Häufige Auftragsvergabe an bestimmte Bieter

Auffälligkeit:

Aufträge werden häufig an einzelne Bieter vergeben, wiederkehrender Bieterkreis.

Gefahr:

Beschäftigte können Informationen über das Projekt an Auftragnehmer weitergeben oder diese bei der Vergabe bevorzugen. Kartellbildung oder Preisabsprachen können vorliegen.

Maßnahmen:

Prüfen der betreffenden Vergaben und der verdächtigen Beschäftigten im Hinblick auf personenbezogene Auffälligkeiten. Bei Verdacht auf Preisabsprache oder Kartellbildung sollte bei benachbarten Ämtern geprüft werden, ob entsprechende Auftragshäufungen vorliegen. Regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

4. Verstöße gegen Bestimmungen

Auffälligkeit:

Verstöße gegen verwaltungsrechtliche Bestimmungen, sowohl hinsichtlich der Vergabe, Ausführung und Abrechnung von Bauleistungen.

Gefahr:

Beschäftigte könnten bewusst Verstöße zugunsten eines bestimmten Bieters vornehmen.

Maßnahmen:

Prüfen der Qualifikation und personenbezogene Auffälligkeiten der verdächtigen Beschäftigten. Nachprüfen, ob derselbe Verstoß schon mehrfach vorgekommen ist. Der Kreis der betroffenen Bieter sollte analysiert werden. Regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

5. Besonderheiten der Auftragsvergabe

Auffälligkeit:

Splitten von Aufträgen, Nachtrags- oder Ergänzungsvergabe, Anschlussvergabe, Beauftragung mittels eines Bestellscheins oder mehrerer Bestellscheine ohne zwingenden Grund.

Gefahr:

Auffälligkeiten dieser Art können ein Hinweis darauf sein, dass Kontrollinstanzen umgangen werden sollen, um bestimmte Bieter zu bevorteilen.

Maßnahmen:

Prüfen, ob sich die Auffälligkeiten bei bestimmten Bietern wiederholen, Prüfen personenbezogener Auffälligkeiten, regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

6. Beschränkte und Freihändige Vergaben

Auffälligkeit:

Beschränkte oder Freihändige Vergabe ohne hinreichenden Grund.

Gefahr:

Bestimmte Bieter oder Bietergruppen können durch Insiderinformationen oder Preisabsprachen Vorteile erlangen.

Maßnahmen:

Abweichungen vom Gebot der Öffentlichen Ausschreibung sind ausführlich zu begründen; über die Begründung muss nach dem "Mehraugen-Prinzip" entschieden werden. Vergaben sind durch regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen zu überprüfen.

7. Ungewöhnliche Vorgaben

Auffälligkeit:

Vorgabe bestimmter Stoffe, Fabrikate, Teile oder Bauweisen.

Gefahr:

Bestimmte Bieter oder Bietergruppen können dadurch Vorteile erlangen, so dass andere Bieter ausgeschlossen oder benachteiligt werden.

Maßnahmen:

Derartige Vorgaben sind ausführlich zu begründen. Ausschreibungen sind regelmäßig verwaltungsintern zu kontrollieren.

8. Bedarfspositionen

Auffälligkeit:

Übermäßig hoher Anteil von Bedarfs- und Eventualpositionen bei Ausschreibungen und Vergaben.

Gefahr:

Es können Informationen an einen Bieter weitergegeben werden, ob und welche Positionen in welchem Umfang zum Zuge kommen werden bzw. wegfallen. Dadurch entstehen dem informierten Bieter bei der Kalkulation Vorteile gegenüber den Mitbewerbern.

Maßnahmen:

Konsequente Kontrolle des Anteiles von Bedarfs- und Eventualpositionen. Diese Kontrolle wird durch EDV-Einsatz bei der Erstellung von Leistungsverzeichnissen erleichtert. Vergleich mit anderen Maßnahmen. Analyse der tatsächlich ausgeführten Positionen hinsichtlich Menge und Preis, Vergleichsrechnung zu den nicht ausgeführten Positionen. Regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

9. Nachtragshäufung

Auffälligkeit:

Häufige Nachträge bei Baumaßnahmen.

Gefahr:

Dem Bieter sind möglicherweise die zu erwartenden Nachträge bekannt. In diesem Fall kann er die Urkalkulation so verfassen (Höhe des Gemeinkostenanteils), dass er später scheinbar zu Recht außergewöhnlich hohe Einheitspreise aushandeln kann.

Maßnahmen:

Ausschreibungsunterlagen sollten vor Veröffentlichung von einer weiteren sachkundigen Person auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft werden. Nachträge sind generell ausführlich zu begründen. Ausschreibungen sind regelmäßig verwaltungsintern zu kontrollieren.

10. Auffällige Preise

Auffälligkeit:

Nicht angemessene Einheitspreise und Spekulationspreise (Ein-Cent-Preise).

Gefahr:

Der Bieter kann Informationen über Mengenänderungen haben, die ihm erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen und das Submissionsergebnis entscheidend verzerren, hoher Preis bei niedrigem Ansatz und Erhöhung des tatsächlichen Ausführungsumfanges. Entsprechend niedriger Preis bei Leistungen, deren Ausführungsumfang erheblich gegenüber dem Ansatz gekürzt werden soll oder wenn die Leistung ganz entfällt.

Maßnahmen:

Angebote sollten von einer weiteren sachkundigen Person auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft werden. Vorgelegte Angebote sind streng auf Angemessenheit zu prüfen, ggf. sind Aufklärungsgespräche zu führen.

11. Insider-informationen

Auffälligkeit:

Bieter verfügt über Insiderinformationen.

Gefahr:

Der Bieter kann durch Kenntnis interner Informationen, z. B. Inhalt von Gutachten, Bauweisen, über deren Anwendung noch nicht entschieden ist, Vorteile bei der Kalkulation der anzubietenden Leistungen haben.

Maßnahmen:

Vertrauliche Behandlung schützenswerter Daten und Informationen, regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen der Verfahrensweisen.

12. Rechenfehler

Auffälligkeit:

Schwere, nicht nachzuvollziehende Rechenfehler in Angeboten.

Gefahr:

Derartige Fehler können ein Hinweis auf nachträgliche Manipulationen durch Änderung von Zahlen sein, z. B. Erhöhung des Einheitspreises von 50 EUR durch Zufügen der Ziffer 1 auf 150 EUR oder Änderung der Zahl 3 durch zwei Halbbögen in 8.

Maßnahmen:

Maschinelles Ausfüllen des Angebotes bei gleichzeitiger getrennter Abgabe eines elektronischen Datenträgers oder Doppel des Angebotes fordern.

13. Nachlassschreiben

Auffälligkeit:

Nachlassschreiben außerhalb der Submissionsprotokolle, Nachlassschreiben sind nicht gekennzeichnet (perforiert).

Gefahr:

Nicht in Submissionsprotokollen erwähnte Nachlassschreiben einzelner Bieter werden nachträglich den Unterlagen zugefügt. Dadurch kann das Angebot nachträglich verändert und das Submissionsergebnis verfälscht werden.

Maßnahmen:

Mit der Submission beauftragte Personen müssen mit Nachdruck angehalten werden, eingereichte Angebotsunterlagen sofort während der Submission auf eventuell beigefügte lose Unterlagen hin zu untersuchen. Briefumschläge sind vollständig zu leeren. Vorgefundene Anlagen sind im Submissionsprotokoll zu vermerken und mechanisch zu kennzeichnen. Regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen der Verfahrensweisen.

14. Unabhängigkeit von Ingenieurbüros

Auffälligkeit:

Planendes oder bei der Ausschreibung mitwirkendes Ingenieurbüro scheint wirtschaftlich abhängig vom Bieter oder seinem Umkreis zu sein.

Gefahr:

Insiderinformationen aus Planung und / oder Ausschreibung können unberechtigt in die Hände eines Bieters gelangen und diesem Vorteile bei der Kalkulation verschaffen.

Maßnahmen:

Vor Vergabe von Planungs- oder Ausschreibungsleistungen an Ingenieurbüros ist grundsätzlich zu prüfen, ob diese in persönlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang mit möglichen Bietern (Auftragnehmern) stehen (eventuell Einblick ins Handelsregister). Planungs-, Ausschreibungs- und Bauüberwachungsleistungen sollten möglichst an verschiedene Büros vergeben werden. Durch regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen überprüfen, ob beauftragte Büros besonders häufig Aufträge an bestimmte Bieter empfehlen.

15. Transparenz der Unterlagen

Auffälligkeit:

Mangelnde Transparenz der Rechnungsunterlagen oder / und der Bauakten, Unvollständigkeit der Unterlagen.

Gefahr:

Mangelhafte Unterlagen können Indiz für die Absicht sein, Mängel in der Ausschreibung, bei der Vergabe, der Bauüberwachung und der Abrechnung zu verbergen. Dies kann einen korruptiven oder betrügerischen Hintergrund haben.

Maßnahmen:

Konsequentes Durchsetzen einer ordnungsgemäßen Führung der im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen stehenden Akten. Drängen auf zeitnahe Aufmaße und Prüfung der Rechnungsunterlagen sowie ordnungsgemäßes und beweiskräftiges Führen des Bautagebuches. Kontrolle der Realisierung der Vorgaben und Vorschriften. Dies ist durch regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen sicherzustellen.

16. Doppelabrechnungen

Auffälligkeit:

Scheinbar irrtümliche Doppelabrechnungen.

Gefahr:

Hinter scheinbar irrtümlicher Doppelabrechnung können sich Betrug und Korruption verbergen.

Maßnahmen:

Stichprobenhaftes Nachprüfen von Abrechnungen auf deren Plausibilität. Im Falle einer Doppelabrechnung, frühere Abrechnungen des Auftragnehmers überprüfen und feststellen, ob und inwieweit der/die derzeit tätige Beschäftigte seinerzeit damit befasst war. Regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen.

17. Bürgschaften und Sicherheitsleistungen

Auffälligkeit:

Bürgschaften und Sicherheitsleistungen werden nicht angefordert und nicht erbracht.

Gefahr:

Bewußtes Bevorzugen eines Auftragnehmers.

Maßnahmen:

Das Überwachen von Bürgschaften und Sicherheitsleistungen sollte durch solche Beschäftigte der Dienststelle erfolgen, die weder mit Ausschreibungs-, Vergabe-, Bauüberwachungs- oder Abrechnungsvorgänge befasst sind. Hierzu sind regelmäßige verwaltungsinterne Kontrollen erforderlich.